Lange Haftstrafen nach Raub mit Todesfolge in Sankt Peter-Ording
| von Thomsen / Foerde.news
Flensburg/Sankt Peter-Ording – In einem aufsehenerregenden Prozess vor dem Landgericht Flensburg hat die I. Große Strafkammer vier Männer wegen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Körperverletzung zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das gab Gerichtssprecher Dr. Tobias Langeloh am Donnerstag bekannt.
Die Angeklagten – C. (43), M. (36), P. (37) und J. (38) – wurden zu Freiheitsstrafen zwischen 9 Jahren und 6 Monaten sowie 14 Jahren verurteilt. Das Gericht sah es nach umfangreicher Beweisaufnahme als erwiesen an, dass das Quartett im Januar 2024 in das Wohnhaus eines Ehepaares in Sankt Peter-Ording eingedrungen war, um unter Gewaltanwendung Wertgegenstände zu erbeuten. Der Ehemann kam bei der Tat zu Tode.
Tat als vermeintliche Paketboten
Nach Überzeugung der Kammer hatte die Gruppe geplant, sich als Paketboten Zutritt zum Haus zu verschaffen. Während C. und M. im Auto warteten und per Funk Verbindung hielten, drangen P. und J. am Abend des 11. Januar 2024 gegen 19:10 Uhr in das Haus ein. Sie bedrohten den Ehemann mit einer ungeladenen Schreckschusswaffe und drängten ihn gewaltsam zurück – mit fatalen Folgen: Der 76-Jährige stürzte, zog sich eine Platzwunde am Kopf zu und verstarb noch am Tatort an Herzversagen infolge eines Schocks.
Die Ehefrau wurde gefesselt, leicht verletzt und massiv bedroht. Einer der Täter drohte, ihr einen Finger abzuschneiden, um sie zur Herausgabe von Informationen über Wertverstecke zu zwingen. Die Täter erbeuteten ein Mobiltelefon, 250 Euro Bargeld und zwei Goldketten.
Kein Tötungsvorsatz – aber Leichtfertigkeit
Zwar war die Anklage von einem Mord aus Habgier ausgegangen, doch die Kammer sah den für eine Verurteilung wegen Mordes notwendigen Tötungsvorsatz nicht als erwiesen an. Vielmehr sei der Tod des Opfers „leichtfertig herbeigeführt“ worden – ein zentrales Merkmal für die Verurteilung wegen Raubes mit Todesfolge. Die Verletzung sei vermutlich durch den Sturz gegen eine Türzarge entstanden. Hinweise auf gezielte tödliche Gewaltanwendung fehlten laut Gericht.
Dennoch hielt die Kammer den Angeklagten vor, die lebensbedrohliche Wirkung ihres Vorgehens erkannt und bewusst in Kauf genommen zu haben – ein Verhalten, das die strafrechtliche Bewertung als schweren Raub mit Todesfolge rechtfertigt.
Hintergrund: Früheres Auskundschaften und gescheiterte Einbrüche
Einer der Angeklagten, M., war zuvor im Rahmen handwerklicher Tätigkeiten auf das Haus des Ehepaars aufmerksam geworden. Nachdem zwei versuchte Einbrüche im Dezember 2023 und am 5. Januar 2024 gescheitert waren, entschloss sich die Gruppe zu einem bewaffneten Raubüberfall.
Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft
Die Staatsanwaltschaft hatte für alle vier Männer lebenslange Haftstrafen beantragt und in zwei Fällen die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld gefordert. Zwei der Angeklagten – P. und J. – seien im Haus gewesen und hätten jegliche Rettungsversuche unterbunden. Zudem seien sie erheblich vorbestraft. Die übrigen Angeklagten hätten sich zwar im Auto aufgehalten, jedoch als Mitglieder einer Bande gehandelt.
Ein Vertreter der Nebenklage forderte ebenfalls hohe Strafen: Drei lebenslange Haftstrafen und eine elfjährige Freiheitsstrafe für denjenigen Angeklagten, der durch kooperative Aussagen zur Aufklärung beigetragen habe (§ 46a StGB).
Verteidigung sieht keine Tötungsabsicht
Die Verteidigung plädierte differenziert. Für die Angeklagten im Haus wurden Freisprüche oder – hilfsweise – Verurteilungen lediglich wegen Raubes gefordert. Die Verteidiger der im Auto verbliebenen Männer beantragten entweder Freispruch oder mildere Haftstrafen. Insbesondere wurde argumentiert, dass ein tödlicher Verlauf nicht vorhersehbar gewesen sei und daher kein besonders schweres Verschulden vorliege.
Urteil mit Signalwirkung
Mit den Urteilen von bis zu 14 Jahren Freiheitsentzug hat das Landgericht Flensburg ein deutliches Zeichen gesetzt. Trotz fehlendem Tötungsvorsatz wogen die kriminelle Energie und die Gewaltbereitschaft der Täter schwer. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
